Marktcheck Proteine – wie gut sind angereicherte Lebensmittel?

Stand:
Proteinangereicherte Lebensmittel im Test der Verbraucherzentrale Bremen
Produktverpackungen Jogurt Milchreis mit Eiweiß
  • Viele Produkte enthalten künstliche Süßungsmittel und weitere Zusatzstoffe wie Verdickungsmittel und Stabilisatoren
  • Der Eiweißgehalt liegt im Mittel bei 8,7 Gramm pro 100 Gramm, ganz normaler Magerquark enthält dagegen 12 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm
  • Besonders durch Eiweißdrinks kann schnell viel Energie und Zucker aufgenommen werden 
  • Die Produkte sollten, ebenso wie ihre nicht-angereicherten Pendants, als Dessert und nicht als gesunde Zwischenmahlzeit angesehen werden
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Wer Sport macht, der braucht viel Protein – dieses (scheinbare) Wissen ist bei vielen im Gedächtnis eingebrannt. Und um diese Proteine aufzunehmen, gibt es viele angereicherte Produkte, von Proteinschokolade über -toast zu -pudding und -drinks. Doch sind diese Lebensmittel notwendig? In einem Marktcheck hat die Verbraucherzentrale Bremen sich online 19 Produkte angesehen, die damit werben, besonders reich an Proteinen zu sein.

Wozu braucht der Körper Proteine?

Proteine, auch Eiweiß genannt, gehören mit Kohlenhydraten und Fetten zu den Makronährstoffen. Diese liefern dem Körper Energie und haben weitere wichtige Aufgaben. Bei Proteinen ist die bekannteste Aufgabe der Muskelaufbau, aber die einzelnen Bausteine des Proteins – die Aminosäuren – leisten an vielen weiteren Orten im Körper wichtige Arbeit. Sie beeinflussen die Hormone und Enzyme, den Knochen- und Zellaufbau.  
Die empfohlene tägliche Aufnahmemenge richtet sich nach dem Körpergewicht. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten gesunde Menschen im Alter von 19 bis 65 Jahren pro Tag 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen. Kinder brauchen aufgrund des Wachstums etwas mehr. Senioren benötigen – bei meist geringerem Kalorienbedarf – etwa ein Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht! 

Brauchen Sportler mehr Proteine?

Der Gedanke, dass Sportler mehr Proteine benötigen, da sie mehr Muskeln aufbauen und erhalten müssen, ist prinzipiell richtig. Doch einen höheren Bedarf von 1,2 bis zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag haben laut der DGE nur Personen, die mehr als fünf Stunden in der Woche sportlich aktiv sind. Da Sportler je nach Trainingsart auch einen höheren Energiebedarf haben, essen sie insgesamt mehr und decken bei einer ausgewogenen Ernährung so auch ihren erhöhten Proteinbedarf. Menschen, die weniger Sport machen, nehmen über eine ausgewogene Ernährung normalerweise ebenfalls ausreichend Protein zu sich. Im Durchschnitt liegt die Proteinaufnahme in Deutschland über den empfohlenen Werten, zusätzlich angereicherte Produkte zu verzehren ist deshalb nicht notwendig.

Der Marktcheck

Für den Marktcheck haben wir uns 19 Milch- und Milchersatzprodukte angesehen, die mit ihrem Proteingehalt werben. Dazu haben wir online die Zutatenlisten, Nährwerttabellen und die auf der Verpackung aufgedruckten Informationen erhoben. Um die Nährwerte der Produkte vergleichen zu können, haben wir den Nutri-Score berechnet.
Fast alle Produkte haben ein ähnliches Verpackungsdesign – schwarz als Grundfarbe, mit weißer Schrift und einzelnen Farbhighlights. Diese Gestaltung soll offenbar bestimmte Reize wecken, hochwertig aussehen, für Aufmerksamkeit sorgen, denn schwarz ist im Joghurtregal eher selten. Doch ist der Inhalt die Aufmerksamkeit wert?
Die Nährwerttabellen sprechen überwiegend für die Produkte. Der Zuckergehalt liegt im Durchschnitt bei 5 Gramm pro 100 Gramm. Das ist ein geringer Zuckergehalt für Speisen, gerade Joghurterzeugnisse können sonst viel Zucker enthalten. Für Getränke ist dieser Zuckergehalt eher mittelmäßig. Durch den Einsatz von Süßungsmitteln und die Verwendung von Laktase werden die Zuckermengen eingespart. Süßungsmittel können allerdings zu einer Gewöhnung an den Süßgeschmack führen. Laktase ist ein Enzym, das den Milchzucker aufspaltet und durch die Spaltprodukte für eine höhere Süßkraft sorgt. Dadurch sind einige der geprüften Produkte als „laktosefrei“ gekennzeichnet.
Auch der Fettgehalt der Produkte war bei 17 von 19 Produkten im geringen Bereich unter drei Gramm pro 100 Gramm. Bei acht Produkten wurde dieser geringe Fettgehalt mit „fettarm“ ausgelobt. Tragen dürfen diese Bezeichnung alle festen Produkte mit einem geringeren Fettgehalt als drei Gramm pro 100 Gramm. Flüssige Produkte dürfen für diese Bezeichnung maximal 1,5 Gramm Fett auf 100 Gramm enthalten. 

Großer Preis, kleiner Inhalt

Von den 19 untersuchten Produkten war bei 16 Produkten der Preis angegeben. Die Preise der Produkte lagen zwischen 0,29 € und 0,94 € pro 100 Gramm. Im Vergleich dazu liegt normaler Speisequark in Magerstufe bei 0,18 € für 100 Gramm. Unsere getesteten Produkte sind im Durchschnitt dreimal so teuer wie Speisequark. 

Proteingehalte – was darf „Proteinquelle“ genannt werden?

Der Eiweißgehalt liegt bei den Produkten zwischen fünf und 11,4 Gramm pro 100 Gramm. Alle Produkte werben mit ihrem Proteingehalt. Häufig tragen sie es direkt im Namen wie „High Protein Drink“ oder auf der Verpackung wird der Proteingehalt pro Becher angegeben. Auch der Hinweis „natürliche Proteinquelle“ oder „viel Eiweiß“ wird verwendet. Bei der Hälfte der Produkte wird der Proteingehalt durch die Zugabe von Milcheiweiß erreicht, bei drei Produkten durch Molkenprotein, -konzentrate und Molkenerzeugnisse. Die übrigen Produkte enthalten keine speziell verarbeiteten Zutaten zur Anreicherung, sondern natürlicherweise proteinreiche Lebensmittel wie Quark oder Frischkäse. Zum Vergleich: Speisequark in der Magerstufe enthält natürlicherweise um die 12 Gramm Eiweiß auf 100 Gramm. 
Als „Proteinquelle“ dürfen Hersteller nur Produkte bezeichnen, deren Proteingehalt mindestens 12 Prozent des Brennwertes ausmacht. Den Titel „hoher Proteingehalt“ dürfen sogar nur Produkte tragen, deren Proteingehalt mindestens 20 Prozent des Brennwertes ausmacht. Ein Joghurt mit 80 Kilokalorien pro 100 Gramm müsste somit vier Gramm Proteine pro 100 Gramm enthalten. 

Der Nutri-Score

Um die Nährwerte vergleichen zu können, haben wir für die Produkte den Nutri-Score berechnet. Dabei erhielten 17 der 19 Produkte ein dunkelgrünes A und zwei Produkte ein hellgrünes B. Problematisch bei der Berechnung sind allerdings die High Protein Drinks. Unserer Meinung nach zählen sie, wie der Name schon sagt, zu den Getränken und die Aufmachung in einer Flasche zeigt dies ebenfalls deutlich. Die Berechnungsgrundlage für den Nutri-Score sieht allerdings vor, diese Produkte aufgrund des Milchanteils als Speise zu werten. Dadurch bekommen alle Produkte eine bessere Bewertung. Würden die Drinks als Getränke berechnet werden, würden die getesteten vier Produkte anstelle eines A alle ein dunkeloranges E bekommen. Also die schlechteste Bewertung statt einer sehr guten. 
Die Produkte werden getrunken und liefern so für Getränke verhältnismäßig viel Zucker und enthalten - damit verbunden - eine hohe Energiemenge. 

Nährwerte top, Zutatenliste flop?

Die Nährwerte sind bei den meisten Produkten gut, doch bei einem Blick auf die Zutatenliste klingen viele Bezeichnungen weniger einladend. Besonders Verdickungsmittel sind in 14 der 19 Produkte und Stabilisatoren in sieben der 19 Produkte vorhanden. Um die Zuckermenge so gering zu halten, sind in 12 der 19 Produkte Süßungsmittel enthalten. 
Echter Fruchtgeschmack ist selten zu finden. In 15 von 19 Produkten ist Aroma oder natürliches Aroma enthalten, nur in zwei Produkten ist „natürliches Fruchtaroma“ und „natürliches Fruchtaroma mit anderen natürlichen Aromen“, das tatsächlich zum Teil aus der Frucht stammt, nach der es schmeckt. Auch zugesetzte Vitamine sind in einem Produkt enthalten. 
Wem das zu viele Zusatzstoffe sind, der greift lieber zu Produkten wie Skyr oder Quark, diese enthalten von Natur aus viel Protein und kommen in unserem Test ohne weitere Zusätze aus. 

Weizenhalmfasern in Joghurt? - die Reduktionsstrategie 

Im Zuge der Reduktionsstrategie werden viele neue Möglichkeiten ausprobiert, um die Zucker-, Salz- und Fettgehalte von Lebensmitteln zu senken. Dazu gehört beispielsweise die Aufspaltung des Milchzuckers durch die Zugabe des Enzyms Laktase. Auch die Anreicherung mit Ballaststoffen wie Weizenhalmfasern gehört dazu. Durch die gute Wasserbindung der Fasern kann Fett gespart werden, bei vergleichbarem „Mundgefühl“. Weizenhalmfasern stecken  in einem Produkt. 

Was ist BCAA?

Ein Produkt warb mit seinem Anteil an BCAAs. BCAA steht für Branched chain amino acids und bedeutet verzweigtkettige Aminosäuren. Herstellern zufolge bestehen Muskeln zu 35 Prozent aus diesen bestimmten Aminosäuren, deshalb haben sie eine wichtige Bedeutung für Personen, die Sport treiben. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass durch die Aufnahme von Produkten, die reich an isolierten BCAA sind, die Muskelermüdung oder der Muskelabbau verzögert wird. Außerdem enthalten alle Nahrungseiweiße wie beispielsweise Molkenprotein eine bedeutende Menge dieser bestimmten Aminosäuren. Für Molkenproteine sind jedoch keine gesundheitsbezogenen Aussagen zulässig.

Risiko durch stark erhöhte Aufnahme

Ein durchschnittlich aktiver Mensch, der 68 Kilogramm wiegt, benötigt um die 54 Gramm Protein am Tag. Wenn er übliche Portionen von 50 Gramm  Haferflocken mit Milch, 100 Gramm Vollkornnudeln mit Bolognese Sauce und zwei Scheiben Sonnenblumenkern-Vollkornbrot mit Emmentaler isst, hat er seinen Proteinbedarf schon gedeckt. Wenn er mehr Proteine aufnimmt, als er benötigt, werden sie genauso wie zu viele Kohlenhydrate oder zu viel Fett als Energiereserven eingespeichert. Sich bei ansonsten gleichbleibender Ernährung und Aktivität zusätzlich proteinreich zu ernähren, führt deshalb nicht zu einem erhöhten Muskelaufbau. 
Bei starker Überdosierung, die vor allem durch Supplemente wie Proteinpulver erreicht werden kann, können in extremen Fällen Nierenprobleme entstehen. Wenn überschüssiges Protein aus dem Körper ausgeschieden werden muss, wird der enthaltene Stickstoff zu Ammoniak umgebaut und über die Nieren durch den Urin ausgeschieden. Viel überschüssiges Protein, das abgebaut werden muss, kann die Nieren stark beanspruchen. 

Fazit

Proteinangereicherte Lebensmittel sind bei einer ausgewogenen Ernährung nicht notwendig, sie enthalten meist viele Zusatzstoffe und sind im Durchschnitt knapp dreimal so teuer, wie beispielsweise Quark.

 

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