Nach dem starken Anstieg der Sperrzahlen im Jahr 2021 sind im Jahr 2022 wieder weniger Energiesperren im Land Bremen durchgeführt worden. Damit setzte der Runde Tisch „Energie- und Wassersperren im Land Bremen vermeiden“ seine erfolgreiche Arbeit mit der Kampagne „Zappenduster!" fort.
Im Land Bremen sind 2022 insgesamt 2.860 Strom-, Gas- und Wassersperren durchgeführt worden. Die Zahl fiel damit von 4.718 Sperren im Jahr 2021 um 1.858 Sperren (- 39 Prozent). Aufgeteilt auf die beiden Städte ergibt sich folgendes Bild: In Bremerhaven sind 653 Mal Anschlüsse gesperrt worden, in der Stadt Bremen 2.207 Mal.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben 2020 zu einem starken Rückgang und 2021 zu einem starken Anstieg der Sperrzahlen geführt. Klammert man diese beiden Jahre mit ihren individuellen Herausforderungen aus scheint die rückläufige Entwicklung aus den Jahren 2015 bis 2019 wiedereinzusetzen. „Wir haben die Hoffnung, dass aus dem Rückgang ein langfristiger Trend wird“, sagt Frank Steinhardt, Bereichsleiter bei swb Vertrieb.
Gleich mehrere Faktoren führten dazu, dass 2022 wieder weniger Sperren ausgeführt werden konnten. Viele Haushalte haben sich an die Appelle der Bundesregierung und der Energieversorger zum Energiesparen gehalten, da aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Energiepreise angestiegen sind, bei swb vergleichsweise eher moderat.
Zudem hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen erlassen, um Haushalte finanziell zu entlasten. Dazu gehören u.a. die Streichung der EEG-Umlage beim Strom, die Streichung der geplanten Beschaffungsumlage beim Erdgas sowie die einmalige Zahlung eines Energiebonus. Arbeitgeber:innen, Rentenversicherung und Land haben diesen an Arbeitnehmer:innen, Rentner:innen und 2023 auch an Studierende ausbezahlt. Darüber hinaus erfolgte im Dezember eine Einmalzahlung für Erdgas und Wärme, ausbezahlt im Auftrag des Bundes durch swb.
Haushalte erhalten Abwendungsvereinbarung
Auch die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Sperrwesen haben den Rückgang begünstigt. Die Grundversorgungsverordnung (GVV) gibt Energielieferanten genau vor, was sie beachten müssen, bis sie sperren dürfen. Die jüngste Novellierung der GVV wurde begleitend zur Gesetzgebung der Energiepreisbremsen in Kraft gesetzt und erleichtert Haushalten das Begleichen von Energieschulden weiter.
Heute gilt, dass die Versorgung eines Haushalts erst gesperrt werden darf, wenn er mit mindestens zwei Abschlagszahlungen und mindestens 100 Euro im Rückstand ist. Er erhält eine Mahnung, dann eine Sperrandrohung und im dritten Schritt die Ankündigung einer Sperre, den sogenannten „gelben Schein“, mit einer letzten Zahlungsfrist zur Abwendung. Den gelben Schein begleiten eine Abwendungsvereinbarung (Ratenplan mit bis zu 24 Raten), ein Barzahlen-Formular und ein „Zappenduster!“-Flyer. Nimmt der Haushalt die Abwendungsvereinbarung an und hält die vereinbarten Zahlungsziele ein, kann er die Sperre verhindern. Die Ratenzahlung kann in bestimmten besonderen Situationen nochmals verschoben werden.
Ein Haushalt mit finanziellen Engpässen kann sich jederzeit an eine der am Runden Tischen vereinten Institutionen wenden. Es genügt das „Veto“ eines Netzwerkpartners oder einer -partnerin, um das Härtefallmanagement in Gang zu setzen. Das Härtefallmanagement kann in 90 Prozent der Fälle Lösungen herbeiführen und somit die Sperre verhindern. Auch wenn die swb-Preise derzeit zu den günstigsten bundesweit zählen, sind durch die Inflation an anderen Stellen Mehrkosten entstanden und belasten die Haushalte.
Über den Runden Tisch „Energiesperren vermeiden“
Ein Netzwerk aus rund 20 Vertreter:innen öffentlicher Stellen, von Beratungseinrichtungen und von swb setzt sich gemeinsam dafür ein, betroffene Bürger:innen in Bremen und Bremerhaven schnell und unkompliziert bei angekündigten Energiesperren zu unterstützen. Sie können dabei auf einen Mix aus verschiedenen Präventionsmaßnahmen zurückgreifen. Eine Maßnahme ist die seit 2015 laufende Informationskampagne „Zappenduster“, die via Website, Faltblättern in verschiedenen Sprachen sowie einer Telefon-Hotline über die verschiedenen Wege aus der Krise informiert – darunter etwa die Energiebudgetberatung der Verbraucherzentrale Bremen.
Nachfrage nach Energiebudgetberatung weiter hoch
Das Angebot nutzten 2022 insgesamt 262 Ratsuchende aus Bremen und Bremerhaven. Sie informierten sich bei der Verbraucherzentrale Bremen, weil sie Probleme mit der Bezahlung ihrer Energiekosten hatten.
Tabelle: Fallzahlen der Energiebudgetberatung von 2019 bis 2022
|
2019 |
2020 |
2021 |
2022 |
Bremen |
94 |
204 |
409 |
166 |
Bremerhaven |
63 |
97 |
162 |
96 |
Insgesamt |
157 |
301 |
571 |
262 |
Wie schon bei den Sperrzahlen stellen die Jahre 2020 und 2021 auch für die Energiebudgetberatung Ausnahmejahre dar. Die Zahl der Beratungen erreichte 2021 einen Höchststand und nahm 2022 wieder ab. „Die Anzahl der Ratsuchenden lag aber auch 2022 noch deutlich über dem Niveau von vor den Coronajahren“, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen. Außerdem waren 2022 pro Fall im Durchschnitt 4,8 Beratungs- und Verhandlungsgespräche notwendig. 2019 lag diese Zahl noch bei durchschnittlich 3,45 Kontakten. Auch die durchschnittliche Forderungshöhe ist um 44 Prozent auf 1.372 Euro im Vergleich zu 2019 gestiegen. „Das zeigt, dass das Beratungsangebot bekannt ist, aber auch, dass die Not der Betroffenen in Bremerhaven und Bremen größer geworden ist“, sagt Oelmann.
Für den absoluten Notfall: der Härtefallfonds
Wenn alle Möglichkeiten eine Sperre abzuwenden ausgeschöpft sind, kommt der Härtefallfonds der Senatorin für Soziales ins Spiel. Er ist eine Auffanglösung für den absoluten Notfall und kann nur einmal in Anspruch genommen werden. Im vergangenen Jahr war das acht Mal der Fall. Der Härtefallfonds ist für Bürger:innen in Bremen und Bremerhaven da, die ein geringes Einkommen haben oder Transferleistungen beziehen und sich aufgrund von Krankheit, einer besonderen familiären Situation oder aus anderen schwerwiegenden Gründen in einer Ausnahmesituation befinden.