Upreger des Monats: 800 Euro für einen Monat Gas

Pressemitteilung vom
Beim „Upreger des Monats“ geht es um Aufreger aus dem Beratungsalltag. Hier erhielt ein Verbraucher eine Rechnung von mehr als 800,00 € für die Belieferung mit Gas – für einen Monat!
Upreger: Teures Gas - 800 Euro im Monat
  • Ein Verbraucher soll nach unerwarteter Einstellung der Belieferung durch seinen Gasversorger für nur einen Monat in der Ersatzversorgung beim Grundversorger in Niedersachsen mehr als 800,00 € zahlen
  • Einige Grundversorger differenzieren aufgrund der steigenden Einkaufspreise bei ihren Tarifen mittlerweile zwischen Neu- und Bestandskund:innen. Der Bremer Grundversorger beteiligt sich nicht an dieser Praxis
  • Eine gesetzliche Regelung, die es den Versorgungsunternehmen verbietet, für Neukund:innen andere Tarife anzubieten als für Bestandskund:innen gibt es leider nicht, ist aber dringend nötig
Off

„Leider kommen momentan vermehrt Verbraucher:innen in unsere Beratung und beschweren sich über die Energieversorger“, sagt Sonja Welzel, Verbraucherrechtsberaterin der Verbraucherzentrale Bremen. Dabei betreffen die Beschwerden nicht nur die zuletzt vielfach rechtswidrig ausgesprochenen Kündigungen und unwirksamen Preiserhöhungen, sondern auch die Tarifgestaltung bei den Grundversorgern. „Grundversorger sind die – kurz gesagt – großen Versorgungsunternehmen vor Ort, die die Verbraucher:innen auffangen sollen, wenn sie nicht mehr anderweitig mit Strom oder Gas beliefert werden. Einige Grundversorger differenzieren aufgrund der steigenden Einkaufspreise bei ihren Tarifen mittlerweile zwischen Neu- und Bestandskund:innen. Der Bremer Grundversorger beteiligt sich nicht an dieser Praxis“, erklärt Sonja Welzel.

Worum geht es?

Ein Verbraucher erhält unerwartet die Mitteilung seines Gasversorgers, dass dieser bereits vor einigen Tagen die Belieferung mit Gas an ihn eingestellt habe und er sich nun bei seinem örtlichen Grundversorger in Niedersachsen in der Ersatzversorgung befinde. Der Verbraucher ärgert sich sehr darüber, denn schließlich hatte er den Energieanbieter gewechselt, weil er besonders günstig war und seiner Erinnerung nach sein örtlicher Energieversorger teurer war.

„Nach drei Monaten wechseln Verbraucher:innen von der Ersatzversorgung automatisch in die Grundversorgung bei ihrem lokalen Grundversorger, wenn sie keinen anderweitigen Belieferungsvertrag abschließen“, erklärt Sonja Welzel. „Natürlich fallen auch hier Kosten wie ein Grundpreis oder ein Arbeitspreis an.“

Über letzteren musste sich unser Verbraucher ebenfalls sehr ärgern, als er schließlich Post von seinem Grundversorger bekam. Der Verbraucher hatte zwar nach rund einem Monat von der Ersatzversorgung zu einem anderen Gasanbieter gewechselt und dort wieder einen Sondervertrag abgeschlossen; gleichwohl verlangte der Grundversorger mehr als 800,00 € für die einmonatige Belieferung mit Gas!

Was ist passiert?

Der örtliche Grundversorger hat von dem Verbraucher zum einen einen deutlich höheren Arbeitspreis verlangt als der ursprüngliche Vertragspartner des Verbrauchers; zum anderen hat der Grundversorger gegenüber dem Verbraucher als Neukunde einen deutlich höheren Arbeitspreis geltend gemacht als gegenüber den Bestandskunden.

Rechtliche Einordung

Rechtlich ist umstritten, ob die differenzierten Preise für Neu- und Bestandskund:innen zulässig sind. „Wir gehen derzeit davon aus, dass die unterschiedlichen Preise für Neukund:innen und Bestandskund:innen unzulässig sind“, sagt Sonja Welzel. „Die Rechtsprechung dazu ist jedoch uneinheitlich. Aus unserer Sicht ist daher der Gesetzgeber gefragt“. Erfreulich ist, dass derzeit eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnwG) in Rede steht. „Welche Änderungen letzten Endes tatsächlich umgesetzt werden, ist jedoch noch offen“, so Sonja Welzel.

Tipps der Verbraucherzentrale Bremen

  1. Verbraucher:innen, die Neukund:innen sind und zu deutlich schlechteren Konditionen mit Energie beliefert werden als Bestandskund:innen, sollten dies nicht einfach hinnehmen
  2. Verbraucher:innen sollten dem Energieversorger mitteilen, dass sie die Preisdifferenzierung für unzulässig halten, Belieferung zu denselben Bedingungen fordern und den abweichenden Preis nur „unter Vorbehalt“ zahlen
  3. Die Zahlungen sollten Verbraucher:innen jedoch nicht einstellen, denn in diesem Fall könnte der Energieversorger seine Forderungen als nicht erfüllt betrachten und Strom oder Gas sperren
  4. Darüber hinaus können Verbraucher:innen unter Umständen auch Schadenersatzansprüche gegenüber dem ursprünglichen Energieanbieter geltend machen. Hier finden sie weitere Informationen dazu

Verbraucher:innen, die als Neukund:innen in die Ersatz- oder Grundversorgung kommen, müssen die differenzierten Preise nicht ohne weiteres hinnehmen, sondern können durchaus auf Belieferung zu denselben Konditionen wie Bestandskund:innen bestehen. Derzeit gibt es jedoch ein gewisses Prozessrisiko, weshalb sie die Zahlungen zunächst „unter Vorbehalt“ leisten sollten. Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber kurzfristig eine eindeutige Rechtslage schafft.

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.

Gefördert durch:

Förderhinweis HB Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz

Ratgeber-Tipps

Mietkosten im Griff
Der Ratgeber „Mietkosten im Griff“ – gemeinsam von der Verbraucherzentrale und dem Deutschen Mieterbund herausgegeben…
Lachender Mann mit Geldscheinen in der Hand

Vergleich mit primaholding-Unternehmen: Letzte Chance für Verbraucher:innen

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat mit primastrom, voxenergie und nowenergy einen Vergleich geschlossen. Es ging dabei um überhöhte Preise und unangemessene Vertragslaufzeiten. Noch bis zum 31.12.2024 können Sie sich an die Unternehmen wenden und sich auf den Vergleich berufen.
Foto einer Frau, die auf einem Sofa sitzt und bestürzt in ein geöffnetes Paket schaut.

Shoppen auf Online-Marktplätzen: Verbraucher:innen erwarten sichere Produkte

Die Mehrheit der Verbraucher:innen erwartet, dass die Produkte auf Online-Marktplätzen sicher und gesetzkonform sind – und sehen die Plattformbetreiber in der Verantwortung. Das zeigt eine Befragung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Aktuell sind Plattformen nicht in der Pflicht, Produktsicherheit zu gewährleisten.
Fernbedienung wird auf Fernseher gerichtet

Nach Abmahnungen: Rundfunkbeitrag-Service kündigt Rückzahlungen an

Nachdem die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt und der Verbraucherzentrale Bundesverband die Betreiber der Webseite www.service-rundfunkbeitrag.de abgemahnt haben, kündigt das Unternehmen an, in vielen Fällen die Widerrufe der Verbraucher:innen zu akzeptieren und Rückzahlungen vorzunehmen.