Propolis für ein stärkeres Immunsystem?

Stand:
Was den Bienenstock schützt, könnte doch auch dem Menschen nützen? Zumindest für den Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln mit Propolis gibt es keine Beweise.
Propolis

Das Wichtigste in Kürze:
Wirkung nicht bewiesen!

  • Propolis ist ein von Bienen produziertes und gegen Bakterien und Pilze im Bienenstock wirkendes Kittharz.
  • Es gibt keine einzige zugelassene gesundheitsbezogene Werbeaussage für Propolis in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM). Auch eine Stärkung des Immunsystems durch NEM ist nicht nachgewiesen. Das in NEM enthaltene Propolis ist nicht mit dem in Arzneimitteln vergleichbar.
  • Nahrungsergänzungsmittel mit Propolispulver aus China wurden schon häufiger im Europäischen Schnellwarnsystem gemeldet.
  • Propolis hat ein hohes allergisches Potenzial. Wer auf Bienen- oder Wespenstiche allergisch reagiert, sollte auf die Produkte verzichten. Gleiches gilt für Schwangere und Stillende.
  • Wechselwirkungen mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten sind möglich.
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Was steckt hinter der Werbung zu Propolis?

Propolis wird nicht nur in Arzneimitteln (z.B. Halspastillen) und Körperpflegeprodukten sondern auch als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) angeboten. Teilweise enthalten die Produkte zusätzlich Blütenpollen, Gelée royale oder auch Pflanzenextrakte wie Echinaea.

Für Nahrungsergänzungsmittel wird insbesondere im Internet (und in manchen "Ratgeberbüchern") mit unzulässigen krankheitsbezogenen Aussagen wie "stärkt die körpereigene Abwehr", "harmonisiert bei regelmäßiger Einnahme die Verdauung", "bei eitrigen Entzündungen der Schleimhäute wie Zahnfleisch- und Rachenentzündungen", "wirkt gegen Müdigkeit" sowie "bei rheumatischen Beschwerden" geworben.

Tatsächlich hat die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA zahlreiche von Herstellern eingereichte Werbeaussagen (Claims) geprüft und festgestellt, dass zwischen diesen und dem Verzehr von Propolis kein ursächlicher Zusammenhang besteht. Aussagen im Zusammenhang mit der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und mit der Unterstützung der Gesundheit der Atemwege, des Darms, der Leber, der Immunabwehr, der normalen Blutzirkulation, der Mundgesundheit und der antibakteriellen und antimykotischen Wirkung sind somit irreführend (nach § 11 LFGB) und damit unzulässig.

Wissenschaftlich aussagekräftige Hinweise auf eine Infekt-vorbeugende Wirkung von Propolis z.B. mit Blick auf Erkältung, Grippe oder Corona lassen sich nicht finden. Zwar kann Propolis in der Petrischale das Wachstum verschiedener Bakterien, Pilze und sogar mancher Viren bremsen, das lässt sich aber nicht auf den Menschen übertragen. Selbst wenn die Theorie stimmen würde, dürften die keimhemmenden Bestandteile von Propolis vorher vom Verdauungssystem zersetzt werden. Und sollten sie tatsächlich doch noch weiter gelangen, würden Leber und Niere – die körpereigenen Entgiftungsorgane – sie zu unwirksamen Stoffen abbauen bzw. sofort wieder ausscheiden.

Bisherige Forschungen sehen eine mögliche zukünftige Rolle von Propolis bei der Verringerung verschiedener chronischer Krankheiten, vor allem mit Blick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hierfür sind aber noch gute klinische Studien an Menschen nötig. Außerdem wäre dann eine Standardisierung auf die wirksamen Substanzen erforderlich. Bisher ist die Zusammensetzung von Propolis sehr unterschiedlich.

Im Allgemeinen stehen aber bei der Produktwerbung für Propolis-Nahrungsergänzungsmittel der antioxidative Effekt und die allgemeine gesundheitsfördernde Wirkung im Vordergrund, welche jedoch ebenfalls bisher nicht durch Studien am Menschen belegt werden konnten.

Werden "wertvolle Vitamine und Mineralstoffe" ausgelobt, müssen diese Mikronährstoffe eindeutig benannt und die genauen Mengen pro Tagesdosis und in Prozent des Referenzwertes angegeben werden. Wegen der sehr geringen natürlich vorhandenen Mengen dürfte es sich in der Regel um zugesetzte Nährstoffe handeln. Auch eine Werbung "reich an Polyphenolen, Flavonoiden und Procyanidinen" muss durch genaue Mengenangaben zu diesen Substanzen unterfüttert werden.

Worauf sollte ich bei der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Propolis achten?

  • Werden gesundheitsbezogene Werbeaussagen beispielsweise zum Immunsystem und zu einer antioxidativen Wirkung gemacht, beziehen diese sich auf zugesetzte künstliche Vitamine (z.B. Vitamin C) oder Mineralstoffe (z.B. Zink), nicht aber auf die Propolis. Achten Sie auf die Zutatenliste.
     
  • 4,2 % der Bevölkerung reagieren allergisch auf Propolis. Menschen, die bekanntermaßen stark allergisch reagieren, sollten Propolis nur mit Vorsicht konsumieren. Wenn Sie auf Bienen- oder Wespenstiche allergisch reagieren, sollten Sie auf Nahrungsergänzungsmittel mit Propolis besser verzichten. Ein solcher Warnhinweis sollte auf den Produkten auf jeden Fall vorhanden sein. Fehlt er, zeugt das nicht von einem vertrauenswürdigen Hersteller.
     
  • In Einzelfällen wurden erhöhte Leberwerte, Nierenversagen, photosensible Reaktionen und Dermatitis berichtet.
     
  • Es sind Wechselwirkungen mit Blutgerinnungshemmern möglich. 
     
  • In früheren Jahren gab es laut Europäischem Schnellwarnsystem RASFF mehrfach Warnmeldungen wegen zu hoher Gehalte an krebserregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Zuletzt wurde Chloramphenicol (ein risikobehaftetes Reserveantibiotikum, für Lebensmittel liefernde Tiere verboten) gefunden. Das Rohmaterial kam in allen Fällen aus China.
     
  • Bienenprodukte wie Blütenpollen und Gelée royale, eventuell auch Propolis, können Pyrrolizidinalkaloide (PA) enthalten. Pyrrolizidinalkaloide sind natürliche Inhaltsstoffe verschiedener Pflanzen und können beim Menschen das Erbgut schädigen und Krebs hervorrufen. Ihre Abbauprodukte sind giftig für die Leber. Sie werden über die Blütenpollen in die Bienenprodukte eingetragen. Pyrrolizidinalkaloide können auch in kleinen Mengen ein Risiko für die Gesundheit darstellen. Besonders bei Produkten aus Australien, Neuseeland, Spanien, der Schwarzmeer-Region und Südamerika besteht die Gefahr einer erhöhten Belastung. Achten Sie auf die Herkunft und fragen Sie ggf. beim Hersteller nach, ob die Propolis auf Pyrrolizidinalkaloide untersucht wurde.
     
  • Seit 1. Juli 2022 gelten Höchstmengenregelungen für Pyrrolizidinalkaloide in Nahrungsergänzungsmitteln (VO (EU) 2020/2040). Die Abverkaufsfrist ist am 31. Dezember 2023 abgelaufen, für vor diesem Datum gekaufte Produkte gilt die Regelung also nicht. Die gesetzliche Höchstmenge beträgt für Nahrungsergänzungsmittel auf Pollenbasis, Pollen und Pollenprodukte 500 µg/kg.
     
  • Da zu wenig über mögliche Risiken bekannt ist, sollten Schwangere und Stillende Propolis nicht konsumieren.
     
  • Imkereien selber dürfen nur unverarbeitete Propolis verkaufen. Nahrungsergänzungsmittel mit Propolis müssen beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vor dem Verkauf angezeigt werden und tragen die Bezeichnung "Nahrungsergänzungsmittel". Mehr zur rechtlichen Lage finden Sie in diesem Beitrag.

 

Was ist Propolis?

Die Propolis (auch Kittharz, Bienenharz, Bienenleim) ist die Substanz, die Bienen von den Knospen und der Rinde der Laubbäume sammeln und mit Wachs, Pollenanteilen und Speichelsekreten anreichern. Im Bienenstock wird sie als klebriges Baumaterial zum Abdichten von Ritzen und Spalten, zum Stabilisieren der Waben und zur Abwehr von Bakterien und Pilzen verwendet. Propolis werden keimhemmende Wirkungen nachgesagt. Gerade wegen dieser Eigenschaften ist Propolis in der Alternativmedizin und Naturheilkunde, insbesondere im osteuropäischen Raum, beliebt. Allerdings sind wissenschaftlich anerkannte Studienergebnisse bei Menschen rar.

Um nennenswerte Mengen an Propolis zu gewinnen, bringen Imker feinmaschige Kunststoffgitter im Bienenstock an. Die Bienen verkitten die störenden Zwischenräume. Zur Propolis-Ernte werden die Gitter entfernt. Durch Tiefgefrieren lässt sich das Harz leicht abklopfen und zu Pulver vermahlen. Dieses wird dann als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Arzneimittel dagegen enthalten spezielle standardisierte Extrakte.

Der größte Teil der Propolis besteht aus Harzen und Wachsen. Die Hauptrolle der wirksamen Bestandteile wird den Flavonoiden zugeschrieben. An zweiter Stelle stehen die Hydroxyzimtsäuren wie Kaffee- bzw. Ferulasäure. Weitere wasserlösliche Bestandteile sind Bienenenzyme, Zucker, Vitamine sowie Mineralstoffe und Spurenelemente. Die genaue Zusammensetzung ist unter anderem abhängig von der Pflanzenart, der Herkunftsregion, der Jahreszeit, den Wachsbeimengungen usw. In öffentlich zugänglichen Datenbanken gibt es keine Nährwertangaben zu Propolis. Propolis-Produkte enthalten zusätzlich oft noch Blütenpollen.

Propolis duftet markant, schmeckt bitter und scharf. Sie ist bei Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius geschmeidig, sehr klebrig, unter 15 Grad Celsius dagegen fest und spröde.

Wegen ihrer fettlöslichen harzigen Beschaffenheit kann Propolis Schadstoffe aus der Umwelt (vor allem die Schwermetalle Blei und Cadmium) sowie aus der Imkerei (Tierarzneimittel) anreichern.

 

Quellen:


Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to propolis and flavonoids in propolis pursuant to Article 13(1) of Regulation No 1924/2006, EFSA Journal 2010, 8(10)

Bundesinstitut für Risikobewertung: Einschätzung von Propolis und Gelée Royale, Stand 20.11.2008 (abgerufen am 28.02.2024)

Von der Ohe W (2006): Steckbrief Propolis, LAVES-Institut für Bienenkunde Celle, 2006 (abgerufen am 28.02.2024)

Von der Ohe W (2020): Pyrrolizidin-Alkaloide: Honig, Pollen, Bienen. LAVES-Institut für Bienenkunde Celle, Juni 2020 (abgerufen am 28.02.2024)

Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA: Pyrrolizidinalkaloide in Tee, Kräutertees und Nahrungsergänzungsmitteln. Stand: 27.07.2017

Kerschner B (2020): Kein Wirkbeleg: Propolis gegen Coronavirus, Erkältung & Grippe. medizin transparent, Stand: 15.04.2020 (abgerufen am 28.02.2024)

Christoph C (2017): Mit Bienen gegen Krebs. medizin transparent, Stand: 09.03.2017 (abgerufen am 28.02.2024)

Verordnung (EU) 2020/2040 der Kommission vom 11.12.2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln

Braakhuis A (2019):  Evidence on the Health Benefits of Supplemental Propolis.  Nutrients 11(11), 2705

Bogdanov S (1999): Propolis. Schweizerisches Zentrum für Bienenforschung (abgerufen am 28.02.2024)

Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau – Fachzentrum Bienen: Produkte - Propolis (abgerufen am 28.02.2024)

MSKCC: Propolis. Purported Benefits, Side Effects & More. Stand: 06.07.2022 (abgerufen am 28.02.2024)

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